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Aktuelles

28.10.2017 | Reformbedarf

spd++: Frischer Wind oder heiße Luft?

Jürgen Näther

Die von der Initiative formulierten Musteranträge, die den Ortsvereinen zur Beschlussfassung empfohlen werden und diese „offener und vielfältiger machen“ sollen und die Kurzdarstellung dazu im Vorwärts (Sept./Okt. 2017, S. 9) empfinde ich als durchweg problematisch.

Die von den Initiatoren festgestellte Notwendigkeit einer organisatorischen Neuausrichtung der SPD wird weithin mit Tatsachenbehauptungen begründet, die einer seriösen Überprüfung kaum standhalten.

• Bevor neue Mitglieder wirkungsvoll mitwirken können, werden ihnen, so behaupten die Initiatoren, jahrelang Hilfsdienste („Plakatekleben“) abverlangt. Tatsache ist, dass es angesichts des Mitgliederschwundes der vergangenen Jahrzehnte zunehmend schwieriger geworden ist, Funktionen und Mandate bedarfsgerecht zu besetzen. Nicht selten kommt es vor, dass ein neues Mitglied nur deshalb auf die Übernahme einer Funktion warten muss, weil die Satzung, was gar nicht unvernünftig ist, eine einjährige „Bewährungszeit“ vorsieht. Strukturen oder mangelnde Bereitschaft, „neue“ zu integrieren, sind von nachrangiger Bedeutung. Dass es angesichts innerparteilicher Konkurrenz und gegenläufiger Positionen nicht möglich ist, eine politische Karriere zuverlässig zu planen, steht dazu nicht im Widerspruch.

• Junge Mitglieder, so wird unterstellt, sind doppelt benachteiligt – als neue und eben junge; zum Ausgleich müsse mit speziellen Quotierungen und Rotationsregelungen reagiert werden. Beweise dürften sich auch dafür nur schwer beibringen lassen.

Frauen leiden angeblich noch immer darunter, dass ihnen der Weg in höhere Ämter von Männern regelhaft versperrt wird. Wie an dieser These festgehalten werden kann, da bei einem Frauenanteil in der Partei von 30 v.H. zuletzt über 40 v.H. der Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion Frauen sind, verwundert. Und der allgemeine Sexismusverdacht, unter den die Partei gestellt wird, ist mindestens irritierend.

• Schließlich beklagen die Initiatoren, dass die lokalen Organisationen sich gegeneinander abschotten und fordern mit Nachdruck, es müsse das Prinzip der Parteiöffentlichkeit gelten. – Wissen wir nicht alle, dass dies seit langem sehr weitgehend realisiert ist?

Insgesamt folgen die Initiatoren einem nicht unüblichen Argumentationsschema: Im Interesse der guten Sache (Begründung des Reformbedarfs) wird die Lage als so dramatisch schlecht dargestellt, dass Abhilfe dringend nötig erscheint und die Diagnostiker sich als unterstützungswürdige Neuerer erweisen. Dass auf diese Weise die gegebene Lage schlechtgeredet, längst erzielte Verbesserungen abgewertet und gängige Vorurteile gegen Parteien schlechthin bedient werden, scheint die Initiatoren in ihrem Drang, sich als Heilsbringer zu profilieren, nicht zu bremsen. Ob ihnen nicht bewusst ist, wie fatal die Außenwirkung ihres Unternehmens ist? Wer sollte in einer Partei mitwirken wollen, die so ist, wie spd++ glauben machen will?

Der Forderung nach einer „Mitgliederanalyse“, die offenbar das Abfragen von Erfahrungen und Wünschen einschließen soll, ist unter diesen Umständen nur zu unterstützen. Auch wenn dies bedeuten sollte, dass einmal mehr eine teure Studie in Auftrag gegeben würde, deren Wert fragwürdig erscheint – da sie dazu beitragen könnte, die Faktenlage (s.o.) zu klären, sollte man sie durchführen lassen.

Eine besondere Würdigung verdient der Vorschlag, auf örtlicher wie überregionaler Ebene „Themenforen“ einzurichten. Ja, wir brauchen derartiges. Der Vorwärts wie die Neue Gesellschaft könnten Konkurrenz, was die kontroverse Debatte angeht, gut gebrauchen. Im Übrigen weiß ich aus eigener Erfahrung, wie eine kritische E-Mail-Postille vom Apparat behindert und schließlich verhindert werden kann. Auch vor diesem Hintergrund halte ich die Idee der Foren für zeitgemäß und hilfreich.

Mit Entschiedenheit ist allerdings die Forderung zurückzuweisen, solche Foren sollten das Recht erhalten, dem Bundesparteitag eigene Anträge vorzulegen (1.) und eigene stimmberechtigte Delegierte zu entsenden (2). Unabhängig davon, dass unklar ist, warum die Forums-Aktivisten nicht in der Lage sein sollten, über Ortsvereine den Bundesparteitag zu erreichen, stellt sich die Frage, was die Privilegierung der Foren rechtfertigen könnte. Dass nur sie fähig wären, den notwendigen Sachverstand zur Verfügung zu stellen, dürften die potentiellen Forums-Aktivisten kaum behaupten wollen. Entscheidend aber ist:

Die Mitwirkung – und sei es die nur mittelbare – an der Wahl und Entsendung von Parteitagsdelegierten ist ein wichtiges, wenn nicht das wichtigste Mitgliedsrecht überhaupt. Somit verlangt spd++ nicht weniger als eine teilweise Entwertung der Mitgliedschaftsrechte. Davon ist unter dem Aspekt der innerparteilichen Demokratie dringend abzuraten. Es kommt hinzu, dass die Attraktivität der Parteimitgliedschaft aus der Sicht potentieller neuer Mitglieder abnähme. Wer will das verantworten?

Meine abschließende Bewertung für spd++: 4 - - .

Jürgen Näther ist Mitglied im Vorstand der SPD Mühlenkamp.